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Fußball ganzheitlich denken

Die Trainerteams der VfR-Mädchenabteilung vermitteln nicht nur spielerische Elemente

(mk) Der Winterschlaf beim VfR Mannheim dauerte nicht lange an. Bereits am 5. Januar 2024 suchten zahlreiche Mädchen das blau-weiß-rote Nachwuchszentrum auf, um nach kurzer Pause endlich wieder gegen den Ball treten zu dürfen. Weder die nasskalten Witterungsbedingungen noch die einsetzende Dunkelheit hielten sie davon ab, am Josef-Bußjäger-Weg vorbeizuschauen und gemeinsam mit ihren Freundinnen zu kicken. Vor Ort waren mit Leni Marenzi, Philipp Theuerkorn und Sumeje Arifi auch die zuversichtlich wirkenden Trainer der jeweiligen Damen- und Mädchenmannschaften. Der Optimismus, die Erfolgsgeschichte aus dem vergangenen Kalenderjahr fortzuschreiben, ist groß. „2023 machten die Mädchen auf dem Platz beachtliche Fortschritte und wuchsen innerhalb sowie außerhalb des Feldes enger zusammen. In Anbetracht der Tatsache, dass wir über eine sehr junge Mannschaft mit vergleichsweise wenig Fußballerfahrung verfügen, stimmt das bisherige Abschneiden durchgehend zufrieden“, lobte Co-Trainerin Arifi das bisherige Abschneiden der D/E-Juniorinnen. Gemeinsam mit Chefcoach Michael Essert hofft sie, in den kommenden Monaten den nächsten Entwicklungsschritt zu vollziehen. Marenzi und Theuerkorn, das Trainerduo der B-Juniorinnen, berichteten ebenfalls viel Positives. Vor allem im technischen Bereich ging es zuletzt steil bergauf.

Nach dem Training fahren nicht alle direkt nach Hause

Was die Mädchenfußballabteilung beim VfR Mannheim besonders auszeichnet, ist eine ganzheitliche Philosophie, die nicht nur sportliche Komponenten inkludiert, sondern über den fußballerischen Tellerrand hinausblickt. Als Lars Andersson im Spätherbst 2021 das Projekt ins Leben rief, legte er großen Wert auf die Vermittlung von sozialen Kompetenzen. Daher ist seit dem letzten Jahr mit Serife Fidan eine Sozialpädagogin im Geschehen involviert, die sich speziell den außersportlichen Angelegenheiten widmet. „Mein Ziel ist es, den Teamgeist bei den Mädchen zu stärken und sie bei der Entwicklung eines gesunden Selbstwertgefühls zu unterstützen“, erklärte Fidan ihren Aufgabenbereich beim VfR. „Es ist wichtig, dass ihnen eine Frau als Ansprechpartnerin zur Verfügung steht, die auch in der Kabine anwesend ist und bei privaten Angelegenheiten ebenfalls kontaktiert werden kann“, fuhr Fidan fort und verwies auf das positive Feedback von Spielerinnen und Eltern. Arifi, die beim VfR erstmals die Funktion der Trainerin ausübt und darüber hinaus für die Damenmannschaft des SC Käfertal spielt, stimmte Fidan zu und nahm im Laufe des Gesprächs häufiger das Adjektiv „familiär“ in den Mund. Nach dem Training gehe es für die meisten Spielerinnen selten direkt nach Hause. Häufig verbleiben sie noch auf dem Vereinsgelände, um entweder in der Holzhütte miteinander zu plaudern oder es sich bei gutem Wetter auf der Veranda bequem zu machen.

Auch die engagierten Marenzi und Theuerkorn versuchen stets, das Sportliche und Soziale miteinander in Einklang zu bringen. Das demnächst im Odenwald stattfindende Trainingslager dient daher nicht nur zur Optimierung der fußballerischen Fähigkeiten, sondern soll, wie die gemeinsame Weihnachtsfeier oder der Besuch eines Fußballspiels der Hoffenheimer Damenmannschaft, ebenfalls zum Zusammenwachsen des Teams beitragen. Die Strecken werden übrigens mit dem Zug oder dem Bus zurückgelegt. Zur Finanzierung des Trainingslagers trugen die Teenagerinnen  etwas selbst bei, indem sie Weihnachtsplätzchen backten und diese verkauften. „Bei uns stehen in erster Linie Spaß und Struktur im Vordergrund“, erklärte Marenzi, der in Baden-Baden bereits die Landesligaherrenmannschaft des 1.FC Lichtenthal trainierte. Mittlerweile macht sich die Arbeit von Theuerkorn und ihm jedoch auch sportlich bemerkbar. „Die Mädchen spielen richtigen Fußball und rennen nicht wie ein aufgescheuchter Hühnerhaufen dem Ball hinterher“, stellte Theuerkorn freudig fest, dass die Faktoren Spaß, Zusammenhalt und sportlich Erfolg langsam ineinandergreifen. Die daraus entstehende Einheit ist somit in der Lage, schwierige Situationen zu meistern, Verletzungspech zu trotzen und Niederlagen zu akzeptieren. Zwar mag der Frust anfangs tief sitzen, doch schlussendlich halten die Mädchen zusammen, sprechen sich gegenseitig Mut zu und erscheinen sogar bei Minusgraden zum Mannschaftstraining.

Weiterer Zulauf?

Derweil hofft Sumeje Arifi, dass der VfR den eingeschlagenen Weg fortsetzt und zukünftig im Mädchenfußball große Erfolge feiern wird. „Die Mädchen sollen sich hier sportlich als auch individuell entfalten und im Team ihre gemeinsamen Ziele erreichen“, erklärte sie. „Es wäre schön, wenn der VfR eines Tages ebenfalls für seine erfolgreichen Mädchen- und Damenmannschaften bekannt wäre“, fuhr Arifi fort. Wenn man berücksichtigt, welch hohe Hürden der Frauenfußball in Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten nehmen musste, sei das gegenwärtige Potenzial noch längst nicht ausgeschöpft. Mädchen, die sich in dieser Sportart betätigen wollten, galten in der frühen westdeutschen Nachkriegszeit als exotisch und widernatürlich. Schließlich sei „diese Kampfsportart der Natur des Weibes im Wesentlichen fremd“, wie der bundesrepublikanische Deutsche Fußballbund (DFB) feststellte. 1955 untersagte er sogar, „Damenfußball-Abteilungen zu gründen oder Damenfußball-Abteilungen bei sich aufzunehmen“. Arifi verwies in ihren Ausführungen auf die positive Entwicklung des Frauenfußballs in der jüngsten Vergangenheit. 2023 betrug die Zahl weiblicher DFB-Mitglieder bereits 1,17 Millionen, was gegenüber dem Vorjahr einem Zuwachs von 5,6% entspricht.
Nichtsdestotrotz hoffen vor allem die C-, D- und E-Juniorinnen auf weiteren Zulauf. „Unser Ziel ist es, mehr Mädchen für den Fußball zu motivieren. Die Mannschaften sind sehr offen und haben die Neuzugänge stets mit offenen Armen empfangen“, schilderte Betreuerin Fidan ihre bisherige Erfahrungen und hofft hierbei auf ein erfolgreiches 2024.

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